Insgesamt 290 Filme bietet das Braunschweig International Filmfestival, das vom 19. bis zum 24. November in die Löwenstadt lädt – darunter übrigens auch 23 Deutschlandpremieren, eine internationale Premiere sowie zwei Weltpremieren. Das Festival ist zweifelsohne ein Highlight im Jahreskalender.

Wie hat sich das Filmfest entwickelt? Wo will es hin – und, worauf dürfen sich die Besucher in diesem Jahr besonders freuen? Darüber, und auch über seine Liebe zum Film, sprachen wir mit Thorsten Rinke, dem Vorsitzenden des Braunschweiger Filmfest-Vereins.

Thorsten, woher kommt Deine Faszination / Liebe zum Medium Film?
Mein erstes Kinoerlebnis, das mich so richtig gepackt hat, war 1980 „Star Wars – Teil 2“ (Das Imperium schlägt zurück). Ab da war ich Kino-infiziert. Mit Freunden habe ich an den Wochenende VHS-Filmnächte veranstaltet und die örtliche Videothek geplündert. Rückblickend habe ich das Gefühl, ich habe alles, was es in den 80er zu sehen gab, gesehen. Meine Favoriten waren Thriller, Italo Western, Polizeifilme, Fantasy, Science-Fiction, Horror und italienische Giallo-Filme.

Wie bist Du damals an das Filmfest geraten bzw. wie ist es zu Deinem Engagement gekommen?
Das muss etwa im Jahr 2000 gewesen sein, als mich Edgar Merkel auf der Berlinale angesprochen hat. Das war im Zoo Palast und er kannte mich vom Sehen aus Braunschweig und fragte, ob nicht Lust beim Filmfest mitzumachen.
Richtig eingestiegen bin ich dann 2005. Weil mich das deutsche Kino am meisten interessierte, habe ich in der Reihe „Neue deutsche Filme“ angefangen und bin wenig später Reihensprecher geworden.

Gibt es in Braunschweig eine Szene von Filmschaffenden? Wenn ja, wie ausgeprägt ist sie?
Oh ja, die gibt es! Es gibt eine Reihe von Leuten, die hier vor Ort drehen wie Jonas Jarecki, dessen neuste „Sanddorn“-Folge wir auf dem Festival zeigen oder die Fehse-Brüder, deren Cinestrange Festival wir auf dem Filmfestival auch einen Platz einräumen. Dann natürlich die Mitglieder der Filmklassen der HBK und der Ostfalia. Und gibt eine Reihe von Braunschweiger*innen, die woanders Film studiert haben und gerne zum Festival wieder „nach Hause“ kommen wie Nora Fingscheidt oder Julia Ostertag oder Autodidakt Detlef Bothe. Wie vielseitig die Braunschweiger Filmszene ist, kann man u.a. in der Reihe „Heimspiel“ auf dem Filmfest sehen.

Was könnte aus Deiner Sicht für (junge) Filmschaffende der Region getan werden? Und: Welche Rolle kann dabei das Filmfest spielen?
Ich glaube, die Szene ist bereits gut vernetzt, man kennt sich, arbeitet Projektbezogen zusammen. Das Filmfestival kann hier ein Forum sein, eine Bühne bieten und mit dem Industry Day können wir vielleicht den ein anderen interessanten Referenten nach Braunschweig holen.

Und: Was könnte aus Deiner Sicht noch für das Filmfest getan werden?
Das Filmfestival steht bereits gut da, aber klar: es ist immer noch Luft nach oben. Wir werden von Partnern vor Ort hervorragend unterstützt, ob das die Stadt Braunschweig ist oder unser Hauptsponsor Volkswagen Financial Services, der sich in den letzen Jahren noch mal stärker engagiert hat. 

Wie hat sich das Filmfest aus Deiner Sicht in den vergangenen Jahren entwickelt?
Insgesamt sehr positiv! Die Zuschauerzahler sind das eine – 2018 gab es einen neuen Rekord mit 27500 Besuchern. Aber auch hinter den Kulissen hat sich viel getan. Wir sind professioneller geworden, steuern das komplette Event über eine Festivalsoftware, haben personell aufgestockt.
Das Programm ist umfangreicher geworden. Arthousekino war ja seit Beginn an Bestandteil des Programms, dann kamen die Filmkonzerte hinzu und mittlerweile zeigen wir Genrekino, LGBTQI-Filme und seit zwei Jahren sogar wieder Kinder- und Jugendfilme.

Michael P. Aust ist nicht mehr Festivaldirektor. Inwieweit hat euch der Abschied getroffen? Habt ihr die personelle Veränderung gut kompensieren können?
Michaels Abschied war schmerzlich, aber er ist dem Festival weiter verbunden, kuratiert auch in diesem Jahr die FxM – Film meets Music-Reihe. Wir haben die Aufgaben zwischen Vorstand, Verein und den hauptamtlichen Mitarbeitern verteilt. 
Wir sind auf der Suche, die Stelle ist ausgeschrieben. Wir haben bereits erste Vorstellungsgespräche geführt und in den nächsten Wochen stehen weitere an. Entschieden ist aber noch nichts. Wir denken, dass wir im Dezember/Januar eine neue Festivalleitung vorstellen können.


Welche Neuerungen des Filmfestivals würdest Du in diesem Jahr besonders hervorheben? Worauf seid ihr besonders stolz?
Besonders stolz sind, dass wir mit Mario Adorf einen der größten deutschen Schauspieler präsentieren können. Wir zeichnen ihn mit unserem Hauptpreis, der „Europa“,  für sein Lebenswerk aus, aber es ist auch eine Auszeichnung fürs Festival, dass er zu uns kommt. Dann freuen wir uns, dass Helmut Zerlett bei uns sein wird. Er bekommt den „Weißen Löwen“ für sein Schaffen als Filmkomponist. Zerlett hat bereits mehrfach mit den „Academics“, der Band der deutschen Filmakademie“ unsere Preisverleihung musikalisch begleitet. Und in dieser Rolle als Bandleader ist er ja auch bekannt. Dass er aber weit über 100 Scores für Film und TV geschrieben hat, wissen wahrscheinlich wenige.
Dann erinnern wir uns mit der Reihe „Spätvorstellung – 30 Jahre danach. Wendeflicks und mehr“ an das 3. Filmfest. Als am 9. November 1989 die Mauer fiel, fand gerade das Filmfest statt. Wir hatten den DEFA-Regisseur Roland Gräf zu Gast, weil wir ihm eine Werkschau gewidmet hatten und so erlebte er als DDR-Bürger, die Wende kurioserweise von der West-Seite. Wir zeigen eine Retrospektive mit Filmen, die an die Zeit vor und nach 1989 erinnern.

Was uns zudem von vielen anderen Festivals abhebt, sind die Filmkonzerte. Unser treuer Partner, das Staatsorchester Braunschweig mit Orchesterdirektor Martin Weller, steht uns einmal mehr zu Seite. Nur so können wir so unterschiedliche Formate zeigen wie das schon traditionelle Eröffnungskonzert „Das Piano“, ein moderner Klassiker aus dem Jahr 1993 mit Musik von Michael Nyman, der übrigens vor einigen Jahren bereits unser Gast war, und das eher experimentelle „Stories: The Path of Destinies“, unser erstes „Live-to-Game“-Konzert.
Ich bin auch sehr gespannt auf die Band The Penelopes, ein DJ-Elektro-Pop-Duo, das in der Bartholomäuskirche den Stummfilm „The Home Maker“ live vertont. Die beiden legen sonst bei Events der Abschlussparty der Semaine de la critique in Cannes auf – das wird bestimmt sehr cool.

Wie sehr treffen ein Filmfest Entwicklungen wie zunehmendes Streaming via Netflix & Co.?
Die Streamingdienste sind für Festivals nicht so eine große Konkurrenz wie für die Kinos. Das Festival als Event bietet ja mehr als den bloßen Film. Da ist die Atmosphäre, der Buzz, den so eine Veranstaltung atmet. Vor allem aber holen wir die Leute nach Braunschweig, denen wir die Filme verdanken, die RegisseurInnen, SchauspielerInnen. Und anders als bei Roten-Teppich-Festivals sind die bei uns nahbar, ansprechbar, während der Q&As aber auch zwischen den Vorstellungen. Das ist etwas, was Netflix Dir nicht bieten kann! 

Natürlich geht es beim Filmfest um viel Programmkino, ergo auch Spartenbereiche. Nichtsdestotrotz spricht das Filmfestival nicht nur Cineasten, sondern alle Kinobegeisterten an. Wie würdest du die Leser motivieren, sich das Filmfest anzusehen?
Über die besondere Atmosphäre eines Festivals, die Möglichkeit bekannte Leinwand- und TV-Gesichter aus der Nähe zu erleben, haben wir gerade gesprochen. Unser Programm ist so umfangreich, dass alle, die sich ansatzweise für Kino interessieren, bei uns fündig werden. Selbst Leute, denen Arthouse zu kopflastig klingt, werden in Reihen wie „Prime Time“ vertraute Gesichter wie Renée Zellweger, Shia LaBeouf, Jude Law oder Selena Gomez antreffen. Künstlerischer Anspruch und Publikumstauglichkeit müssen sich nicht ausschließen. So ein Festival ist natürlich auch eine Einladung, die eigenen Sehgewohnheiten zu testen – nur Mut!

Weitere Informationen zum Filmfest gibt es auf der Website.

Copyright und Infos


Location: Universum Kino (BS)
Autor / Credits: Falk-Martin Drescher


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