Patrick Finke von den New Yorker Lions im Interview

132 Kilo, 1, 96 Meter, 23 Jahre Football - Defense Lions-Spieler Patrick Finke ist in Zahlen ebenso imposant wie seine Erscheinung. Bei einem Treffen beim Training auf der Roten Wiese blickt der 36-jährige Familienvater auf seine Karriere zurück. Im Interview mit Kathrin Rieck erzählt der gebürtige Berliner, was er am American Football und Braunschweig schätzt und gibt Tipps für den Nachwuchs.

 Wie lange bist Du schon bei den Lions?

Seit 2006. Während meines Technikers habe ich als Ausgleich einige Jahre im Lions Flagteam mitgespielt. 2016 wollte ich dann nochmal ein Jahr Football spielen. Aus dem einen wurden dann doch jetzt schon wieder bald vier Jahre!

Wo warst Du vorher und wie bist Du zum Football gekommen?
Patrick Finke: Ich bin ursprünglich Berliner. Und dort hat auch meine Football-Karriere begonnen. Da gab es 1996 ein richtiges „Aha-Erlebnis“: als ich dreizehn war, fragte ein Klassenkamerad alle meine Freunde, ob sie nicht einmal mit zum Football-Training kommen wollten, alle außer mir! Aufgrund von Verletzungen an der Achillessehne und am Daumen war ich damals ziemlich unsportlich und war ein Teilnehmerurkunden-Kandidat (schmunzelt). Aber ich bin trotzdem zu diesem Training hingegangen und da war es um mich geschehen!

1997 fing ich bei den Berlin Thunderbirds in der Jugend an. Von dort habe ich mich immer weiter gesteigert. 2000 bin ich mit der 1. German Football League (GFL) Junior Liga Deutscher Meister geworden. 2004 mit den Berlin Adlers in der 1. GFL gleich die erste Deutsche Meisterschaft gewonnen. Coach Kevin Anderson trainierte 2004 in Berlin und fragte, ob ich nach Braunschweig kommen möchte. So bin ich zu den Lions gekommen.

Also bist Du wegen dem Football nach Braunschweig gekommen?
Genau! Beruflich bin ich angestellter Techniker für Maschinentechnik und bin Koordinator für Fahrversuche.

Was sind Deine Lieblingsorte hier?
Ich mag vor allem die Innenstadt: das Schloss, den Bohlweg und natürlich die Wahrzeichen. Ich kenne Braunschweig noch, bevor es das Schloss gab. Der Schlossplatz und der Burgplatz, das sind schon besondere Orte. Wenn ich Freunde zu Besuch habe, zeige ich diese Plätze immer ganz stolz vor und die verlieben sich regelmäßig. Braunschweig ist einfach gemütlich und schön. Ich bin froh aus der Großstadt raus zu sein. Allein die langen Wege von Neukölln nach Spandau damals zur Kaserne - da war man für ein paar Kilometer stundenlang unterwegs.

Hast Du Football-Idole?
Neben den Lions, war ich schon immer Fan der San Francisco 49ers. Die tollsten Spieler wie Steve Young oder Jerry Rice etc. kamen daher. Das waren immer Vorbilder für mich.

"Burger und Braunkohl sind der Hit"

Was ist Deine Position?
„Defense End“ das ist der äußerste Mann an der ersten Verteidigungslinie. In der Position setzte ich gemeinsam mit drei bis vier anderen Spielern den Quarterback unter Druck; versuchen, dass er Fehler macht, lenken ihn ab und versuchen ihn um zu rennen (zu takeln).

Wie oft trainierst Du pro Woche?
Zweimal ist Training kombiniert mit Theorieeinheiten. Vor den Spielen haben wir immer nochmal einen „Walk Through“, das heißt, wir gehen nochmal alles durch und bereiten uns vor. Dazu versuche ich es zwei bis dreimal die Woche ins Fitnessstudio zu schaffen. Da kommt man locker auf einen Sechs-Tage-Plan. Man muss schon mit Leidenschaft dabei sein. Wir spielen für Ruhm und Ehre. Geld verdienen tun wir damit nicht.

Gibt es eine bestimmte Diät?
Die ganz schweren Jungs brauchen wir vorne an der Angriffslinie, die den Quarterback beschützen. Da geht es tatsächlich um Masse, aber auch um Kraft. Ich bin eher der athletische Typ und muss auf meine Ernährung achten, damit ich schnell bin. In der Regel musste ich unter drei Sekunden beim Spielmacher sein um Ihn zu sacken (also den Spielmacher umrennen) - auf 40 Yards (circa 37 Meter) bin ich dieses Jahr 4,8 Sekunden gelaufen. Zum Vergleich: in der NFL (National Football League) laufen Spieler mit meinem Gewicht eine 4,6. Weil Athletik besonders wichtig ist, steht auf meinem Speiseplan vor allem Gemüse, aber auch Fleisch und gesunde Kohlenhydrate. Vor der Saison muss ich Gewicht und Muskeln aufbauen, während der Saison das Gewicht halten und danach wieder verstärkt die Ausdauer trainieren und auf meine Ernährung achten.

Also esst ihr nicht alle die ganze Zeit Burger?
Alle Footballspieler lieben Burger! Außer ein Spieler bei uns, der Vegetarier ist und dann wahlweise einen Gemüse Burger bevorzugt. Aber nein, leider nicht (grinst).

Und wie gefällt Dir das Braunschweiger Essen?
Braunkohl mit Braunschweiger Mettwurst ist der Hit! Vor allem, wenn das richtig durchgezogen ist! Das esse ich wirklich sehr gerne.

Hast Du noch weitere Hobbies? Andere Sportarten?
Ich habe mal Judo gemacht. Ich angle gerne, genieße die Natur und vor allem die Zeit mit meiner Familie. Außerdem mag ich natürlich Kraftsport und schwimme gerne.

Wie sieht es mit Groupies aus?
Tatsächlich bekommen wir immer wieder mal Liebesbriefe. Aber hartnäckige Groupies kann man nicht sagen. Wir haben viele sehr treue Fans, die wir schätzen und uns freuen, bei den Spielen zu sehen. Klar, gibt es immer mal kleine Geschenke und viele Fotoanfragen. Einmal hatte ich Fanpost aus Düsseldorf – eine Anfrage für Autogrammkarten, da es der Person nicht möglich war zum Spiel zu kommen.

Wie viele Spieler werden eingesetzt?
Wir haben im Team ca. 70 Leute. Ich bin einer der Starter (Stammspieler). Es dürfen sich nur 50 Leute zum Spiel umziehen. Das ist natürlich eine Herausforderung für den Trainer. Dann heißt es 11 gegen 11. Angriff (Offense) und Verteidigung (Defense). Und dann gibt es noch ein paar Spezialteams, aber das geht dann sehr ins Detail.

"Wer im Football hoch hinaus möchte, sollte sich beraten lassen"

Verstehst Du alle Spielregeln?
Ja, ich verstehe sie. Das wäre nach 23 Jahren Football sonst auch schlecht (lacht). Die „Refs“ (Schiedsrichter) verstehe ich auch manchmal nicht, aber das ist normal. Generell ist es für Laien schwierig, da die Spielzüge so schnell gehen. Für Anfänger ist es daher wichtig, einen Unterstützer an der Seite zu haben, der einen schult. Für Fans und Zuschauer haben wir extra unser Magazin „Gameday“, indem wir Spielregeln erklären und viel Wissenswertes rund Aktuelles, aktive, passive und ehemalige Spieler zusammentragen.

Was ist ein gutes Spielergebnis?
Ein Touchdown macht sechs Punkte, dann kann man noch einen Extrapunkt erreichen, wenn es gelingt durch die Stange zu schießen, oder eine Zweipunkt-Aktion landen. Im Durchschnitt erzielen wir circa 37 Punkte. Eigentlich punktet die Offense. Die Defense kann unter Umständen, wenn sie den Ball abfängt oder dem Gegenspieler entreißt und in Endzone bringt, aber auch punkten (dann wird die Defense quasi zur Offense).

Wie lange dauert ein Spiel?
Im Grunde vier mal zwölf Minuten. Mit Werbung und Aktionen zwischen den Spielabschnitten können das auch schon mal gute 2,5 Stunden sein. Sind die Gegner; bzw. das Spiel besonders Pass lastig, kann ein Spiel auch mal 3,5 Stunden dauern. Wird viel geworfen, kann der Ball oft zum Boden fallen und dann wird jedes Mal die Zeit gestoppt. Und das dauert dann entsprechend!

Was würdest Du Nachwuchsspielern raten?
Ich habe selbst eine Athletik-Akademie gegründet. In meinen Trainings geht es um das richtige Laufen, richtiges Gewichtheben, richtige Ernährung. Jedem, dem es ernst ist (der zum Beispiel, den Sprung auf ein College schaffen möchte), würde ich raten, sich mit einem Trainer zusammenzusetzen und sich beraten zu lassen. Ich veranstalte kleine Camps hier in Braunschweig auf der Roten Wiese, mit maximal zehn Teilnehmern ab 13 Jahren, um mein Football Wissen weiterzugeben. Da gibt es dann Training mit Schutzkleidung, Feedback per Videoanalyse und Ernährungspläne. Die Kosten belaufen sich auf 75 Euro pro Tag. T-Shirt, Videomaterial, Ernährungs- und Trainingspläne gebe ich im Anschluss mit.

Passiert es, dass Deutsche auf US-Colleges gehen?
Ja sogar oft. Will man den Sprung schaffen, muss man hart arbeiten, richtig trainieren, sich ordentlich ernähren und braucht vor allem gute Coaches und Kontakte in die USA. Aus unserer Jugend haben es schon einige geschafft.

Muss man Englisch sprechen?
Möchte man in die 1 GFL dann ja. Da sprechen die Coaches englisch. Das muss man wirklich ernst nehmen. Viel lernen, regelmäßig zum Training kommen, auf die Ernährung achten. Spielt man im Flag-Team oder in der zweiten Mannschaft, ist alles etwas lockerer. Da geht es dann mehr um Freizeitspaß als um spielerische Erfolge und man kann auch mal fehlen. Jeder ist bei uns willkommen.

"German Bowl wir kommen!"

Also sind die Lions eine große Familie?
Ja das sind wir. Es herrscht ein super Zusammenhalt und es wird Verantwortung füreinander übernommen. Trotzdem natürlich Spieler kommen und gehen, sind wir eine gute Gemeinschaft. Einige von uns studieren und leben in Wohngemeinschaften. Da wird dann auch mal zusammen ein Bier getrunken oder Essen gegangen. Diese Gemeinschaft spürt man auch regelmäßig im Stadion: es gibt immer etwas für Kinder, Verletzte vom gegnerischen Team werden ebenso angefeuert, wieder aufzustehen, wie die eigenen. Ausgebuht wird da keiner. Wirklich friedlich und freundschaftlich geht es zu, was mir sehr an unserem Sport gefällt.

Was wäre Dein Traumziel mit den Lions?
Dieses Jahr definitiv der German Bowl! Nach den zwei Durstrecken - einmal um einen Punkt verpasst und dann nicht in die Finals gekommen – wird es auch wieder Zeit für uns als Rekordmeister mit 11 Titeln! Mit so vielen großartigen Talenten und Spielern haben wir auch das Zeug dazu!

Wie lange willst Du noch spielen?
Wenn wir Deutscher Meister werden, werde ich mich auch so verabschieden. Ich habe genug Titel geholt: Deutscher Meister: 2004, 2006, 2007, 2008. 2016 German Bowl, Europe Bowl 2016, 2017, 2018 – „die Wand ist voll“ (lacht herzlich) und mit 36 Jahren kann man auch langsam dem Nachwuchs das Feld überlassen. Ich denke, das wird mein letztes Jahr werden – liegt aber am Sport, man wird sehen...!