Wenn sich eine Einrichtung mit dem Thema Ausbildung und Berufswahl auskennt, dann die Industrie- und Handelskammer, kurz IHK. Deutschlandweit gibt es 79 eigenständige IHKs. Nur wenn Unternehmen von Mitarbeitern der IHK geprüft sind, dürfen diese auch ausbilden.

Die IHK Braunschweig ist also genau die richtige Anlaufstelle, um sich in Sachen Trends und Entwicklungen auf dem Ausbildungsmarkt umzuhören. Als eine von sieben niedersächsischen IHKs befindet sie sich seit 1910 im Herzen Braunschweigs, im historischen Gewandhaus am Altstadtmarkt.

Dipl.-Ing. Jan Hauberg, Abteilungsleiter Berufsausbildung und berufliche Weiterbildung

Welche Rolle die IHK auf dem „Arbeitsmarkt 4.0“ spielt und welche Tipps die Experten für Generation Y, X parat haben, haben uns Abteilungsleiter Berufsausbildung und berufliche Weiterbildung Dipl.-Ing. Jan Hauberg und Ausbildungsberaterin und Prüfungssachbearbeiterin Astrid Oldermann im Interview vor Ort verraten.

Astrid Oldermann, Ausbildungsberaterin und Prüfungssachbearbeiterin


Worauf liegt der Fokus der IHK?

Dipl.-Ing. Jan Hauberg: Die IHK Braunschweig vertritt die Interessen von rund 42.500 Unternehmen aus den Städten Braunschweig und Salzgitter sowie den Landkreisen Goslar, Helmstedt, Peine und Wolfenbüttel.

Die IHK Braunschweig nimmt öffentlich-rechtliche Aufgaben wahr und steht ihren Mitgliedsunternehmen als serviceorientierte Beraterin sachkundig in vielen lokalen, regionalen und überregionalen Angelegenheiten zur Verfügung.

Die Abteilung „Berufliche Aus- und Weiterbildung“ übernimmt vielfältige Aufgaben:

Sie ist Ansprechpartnerin für ausbildende Betriebe und solche, die es werden wollen. Zum Beispiel überprüfen wir die Eignung von Betrieben, die ausbilden wollen und sorgen für die Einhaltung der notwendigen Voraussetzungen. Dadurch stellen wir sicher, dass alle Bedingungen erfüllt sind, um auszubilden.

Wir beraten Auszubildende und Unternehmen während der Ausbildungszeit und organisieren Zwischen- und Abschlussprüfungen. Wir bieten Seminare zur Vorbereitung auf Prüfungen, zur individuellen Weiterbildung (bspw. Ausbilderschein) oder bestimmten Zertifikaten an. Außerdem beraten und betreuen wir Interessierte zu Fort- und Weiterbildungsprüfungen – und noch einiges mehr.

Wie erreichen Sie die Generation X und Y?

Dipl.-Ing. Jan Hauberg: Wir nutzen verschiedene multimediale Kanäle. Vor einer Berufsausbildung finden uns Schüler*innen auf mehreren Berufsausbildungs- und Berufsorientierungsmessen (Mein Start in die Ausbildung, Vocatium, Parentum) und können sich dort über Ausbildungsthemen und Berufe informieren und kundig machen. Ebenfalls erscheint bei uns jährlich unser Ausbildungsmagazin „Ready-2-Start“. In unserem Ausbildungsmagazin wird u.a. gezeigt, welche Ausbildungen im Bezirk der IHK Braunschweig angeboten werden und worauf man bei seiner Bewerbung achten muss. Über unsere Zeitschrift „IHK wirtschaft“, Facebook, Instagram sowie unseren Newsletter bieten wir weitere Informationen an. Viele Schüler*innen werden auch durch die Allgemeinbildenden Schulen und später die Berufsschulen auf die IHK aufmerksam.

Angepasst an das digitale Zeitalter, starten wir auch Online-Initiativen wie unsere Online-Lehrstellenbörse www.ihk-lehrstellenboerse.de mit passender App (siehe App-Stores) dazu oder unserer „Azubi-App“. In der App oder im Internet können Schüler*innen und Studierende ihre Gesuche kostenfrei einstellen und Links zu YouTubern wie „Like A Boss“ bekommen. Unternehmen wiederum können sich hier vorstellen und offene Ausbildungs- sowie Praktika-Stellen anbieten. Der Download und die Nutzung sind natürlich kostenfrei.

Ebenso gut wie die IHK-Lehrstellenbörse sind auch Kooperationen beispielsweise mit dem Virtual Reality-Startup „mobfisch GmbH“ angekommen. Dabei wurden virtuelle Firmenrundgänge als Dreiminüter gefilmt. Absolut kurzweilig und zeitgemäß. Die IHK ist auch mit einem Clip vertreten (https://www.youtube.com/watch?v=dTVle-PFI9g). Inzwischen ist das Projekt „Beruf VR“ in das Angebot der Braunschweiger Zeitung „Raketenstart.tv“ integriert.

Erkennen Sie Trends innerhalb der Lehrstellenbörse und Azubi-Beratung?

Dipl.-Ing. Jan Hauberg: Unter den Top Fünf der nachgefragtesten Berufe im Bezirk Braunschweig befinden sich aktuell Kauffrau/-mann im Einzelhandel oder für Büromanagement, Verkäufer/-in sowie Industriekauffrau/-mann oder Elektroniker/-in Automatisierungstechnik. Für die Lehrstellenbörse lässt sich das schwer sagen, wobei es ab und zu mal Branchen gibt, die aktiver sind als andere. Das hängt natürlich auch vom Ausbildungsmarketing jedes Unternehmens ab. Viele Unternehmen nutzen zwar Angebote wie die Lehrstellenbörse, aber es gibt auch Unternehmen, die ausschließlich über ihre eigene Homepage werben.

In der Azubi-Beratung geht es vor allem um die Unterstützung vor und während der dualen Ausbildung und natürlich auch um Fragen zu den einzelnen Prüfungsphasen.

Welche Trends beobachten Sie generell am „Arbeitsmarkt 4.0“?

Dipl.-Ing. Jan Hauberg: Es gibt insgesamt viel mehr Lehrstellen als Azubi-Bewerber*innen. Das hat die Lage verändert. Heute müssen sich Unternehmen auch ordentlich ins Zeug legen, um Schüler*innen von sich zu überzeugen und für sich zu gewinnen. Viele, die Abitur haben, wollen heutzutage auch studieren. Allerdings wissen viele der Abiturient*innen noch nicht, welche Möglichkeiten sie haben. Das ist ein weiteres Anliegen von uns: Schüler*innen ihre beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten aufzuzeigen, die sie durch eine duale Ausbildung haben. Denn für sie gibt es neben der klassischen Berufsausbildung auch die Möglichkeit des dualen Studiums oder nach der Ausbildung die Option eines nachgelagerten Studiums – also einer synergetischen Verknüpfung von Theorie und Praxis.

Durch die Digitalisierung geht der Trend hin zu einem vermehrten Einsatz vernetzter, digitaler Technologien in unserer Gesellschaft. Bei „Industrie 4.0.“ betrifft dies insbesondere Bereiche in der Fahrzeugkonstruktion, Maschinenbau oder im Transportwesen.

Körperlich anstrengende Berufe wird es zukünftig immer weniger geben, da Maschinen immer mehr Aufgaben übernehmen. Ein weiterer Faktor, der die Trennung klassischer „Frauen“- und „Männer-Berufe“ aufweicht.

Wie reagieren Sie auf den Wandel?

Dipl.-Ing. Jan Hauberg: Ein Weg sind Neuordnungen der Ausbildungsinhalte, die zyklisch durchgeführt werden. Das heißt, es wird geschaut, ob Berufs- bzw. Ausbildungsinhalte noch zeitgemäß sind. Angepasst an neue Anforderungen des Marktes, werden dann die Inhalte aktualisiert. Nächstes Jahr werden manche IT-Ausbildungsberufe auf den neuesten Stand gebracht – alles Antworten auf die ständigen Anforderungen der sich in rasendem Tempo verändernden „smarten neuen Welt“.

Mit unserer neuen "Azubi-App" können sich Auszubildende schnell und einfach unterwegs gezielte Informationen rund um die Berufsausbildung auf ihr Handy oder Tablet holen. So können sie sich zum Beispiel über die rechtlich geregelten Arbeitszeiten, Inhalte des Ausbildungsvertrags oder Rechte und Pflichten eines Azubis informieren.

Durch neu entstehende Bedürfnisse, beispielsweise im Online-Handel entwickeln sich aber auch ganz neue Ausbildungsberufe, wie zum Beispiel der noch ganz frische Beruf „Kauffrau/-mann im E-Commerce“.

Was sind meine Aufgaben als „Kauffrau/-mann im E-Commerce“?

Astrid Oldermann: In dem Beruf geht es um alle Fähigkeiten rund um Online-Handel. Zum Beispiel: wie errichte ich einen eigenen Shop, wie verkaufe ich über große Plattformen sowie die juristischen Grundlagen im Netz von Marketing über Sales bis zur Logistik.

Auslöser oder Anstoß war die hohe Nachfrage an ausgebildeten Kräften in dieser Richtung seitens der großen Versandhäuser und Dienstleister. Sie gingen an die Politik und forderten einen neuen Beruf, der diese Qualifikationen abdeckt. Bislang war E-Commerce immer nur ein kleiner Bereich im Rahmen von Wahlqualifikationen kaufmännischer Ausbildungsberufe.

Wieviel Antrieb dahinter war, zeigt sich in den nur zwei Jahren, in denen der neue Beruf aus der Taufe gehoben wurde. Das ist Rekordgeschwindigkeit für solche komplexen Verfahren.

Den Beruf gibt es jetzt seit einem Jahr. Besonders attraktiv daran ist, dass die entsprechende Beschulung hier in Braunschweig vor Ort, in der Otto-Bennemann-Schule an der alten Waage, stattfindet. Generell ist die IHK Braunschweig in Sachen Berufs- und Partnerschulen vor Ort in einer sehr komfortablen Lage, bedenkt man, dass es landesweit nur fünf Berufsschulstandorte für diese Ausbildung gibt.

Das heißt Unternehmen stehen jetzt schon Schlange für die Kaufmänner im E-Commerce?

Astrid Oldermann: Die Nachfrage ist definitiv hoch. Nicht nur bei Großunternehmen, sondern auch bei vielen Startups, die ihr Business von Anfang an online aufgebaut haben und erst jetzt so gewachsen sind, dass sie ausbilden. Trotz allem sollte man nicht ausschließlich nach Trends gehen, sondern seinen Neigungen und Interessen folgen.

Was sind Ihre Tipps für Ausbildungs- und Jobsuchende aber auch Ausbildungsbetriebe?

Dipl.-Ing. Jan Hauberg: Wir raten unbedingt dazu, sich als Suchende frühzeitig online über die Betriebe zu informieren. In die gleiche Richtung zielen Praktika, um besser zu erkennen, ob die Berufs- und Lehrinhalte so sind, wie man sie sich vorgestellt hat. Dazu kommen Messen und „Tage der offenen Tür“ bei den Betrieben, wo man im persönlichen Kontakt mit anderen Auszubildenden und Ausbildern ein gutes Bild bekommt. Ein weiterer Rat wäre: sich nicht auf einen einzigen Ausbildungsberuf oder einen Betrieb zu versteifen, sondern sich immer einen Plan B, C und D zu überlegen.

Ausbildungsplätze kann jeder finden, sie sind da!

Online Lehrstellenbörse

Lehrstellenbörsen-App

Azubi-App

Die nächsten Job- und Ausbildungs-Messen

Jobmesse Parentum (04. September 2019 )

Mein Start in die Ausbildung (in Kooperation mit der Handwerkskammer Braunschweig-Lüneburg-Stade, der Kreishandwerkerschaft, der Bundesagentur für Arbeit und dem Arbeitgeberverband) (1. Quartal 2020)

Jobmesse Vocatium (01. Juli – 02. Juli 2020)

Jobmesse Parentum (23. September 2020)

Copyright und Infos


Location: Braunschweig (div.)
Autor / Credits: Kathrin Rieck


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